Viktor von Scheffel
Der berühmte Dichter Joseph Viktor von Scheffel verbrachte einige Zeit
in Kloster Banz und drückte seine Verbundenheit mit der Region in so manchem Vers aus,
so zum Beispiel in seinem Gedicht Wanderfahrt.
Der letzte Ichthyosaurus
Es rauscht in den Schachtelhalmen
Verdsächtig leuchtet das Meer -
Da schwimmt mit Thränen im Auge
Ein Ichthyosaurus daher.
Ihn jammert der Zeiten Verderbnis
Denn ein sehr bedenklicher Ton
War neulich eingerissen
An der Liasformation
Der Plesiosaurus, der alte,
Der jubelt in Saus und Braus,
Der Pterodactylus selber
flog neulich betrunken nach Haus.
Der Iguanodon, der Lümmel,
Wird frecher zu jeder Frist:
Schon hat er am hellen Tage
Die Ichthyosaura geküsst!
|
|
Mir ahnt eine Weltkatastrophe,
So kann es länger nicht geh'n!
Was soll aus dem Lias werden,
Wenn solche Dinge gescheh'n?
So klagte der Ichthyosaurus,
da ward ihm so kreidig zu Mut,
Sein letzter Seufzer verhallte
In Qualm und zischender Flut.
Es strab zu derselben Stunde
Die ganze Saurierei;
Sie kamen zu tief in die Kreide
Da war's natürlich vorbei.
Und der da hat gesungen
Dies petrefaktisch Lied,
Der fands als fossiles Albumsblatt
Auf einem Koprolith!
|
Heinrich Kohles:
Joseph Viktor von Scheffel in Banz
Die schöne und naturwissenschaftlich wie kulturhistorisch
reizvolle Juralandschaft am Obermain, in der die barocken Bauwerke Schloß
Banz und Vierzehnheiligen, der Staffelberg mit seiner Eremitenklause und
die alte Adam-Riese-Stadt liegen, hat der Dichter Joseph Viktor von Scheffel
zum erstenmal auf einer Studienfahrt am 1. Oktober 1845 kennengelernt.
Er war begeistert und verbrachte daraufhin erneut im Sommer 1859 in der
Schloßwirtschaft des Johann Schonath in Schloß Banz einen zweimonatigen
Erholungsaufenthalt. Joseph Viktor von Scheffel wurde am 16. Februar 1826
zu Karlsruhe geboren. Sein Vater war Major und Oberbaurat. 1843 bis 1847
studierte der Sohn in Heidelberg, München und Berlin Rechtswissenschaft
und Germanistik. Nachdem er zum Doktor der Rechte promoviert hatte, begleitete
er im Sommer 1848 den Reichskommissar Welcker als Sekretär auf seiner
Reise nach Skandinavien. In der Folge arbeitete er an mehreren großherzoglichen
Ämtern, so 1850 bis 1851 als Rechtspraktikant in Säckingen und 1852 im
Sekretariat des Hofgerichtes zu Bruchsal. Nach einer Reise durch Italien
noch zum Referendar ernannt, entsagte er jedoch bald gänzlich der juristischen
Laufbahn, um sich für das akademische Lehramt vorzubereiten und nahm in
dieser Absicht wieder längeren Aufenthalt in Heidelberg. Allein immer
unwiderstehlicher wurde er von seinen poetischen Neigungen zur literarischen
Laufbahn geführt, und erfolgte dem inneren Drang um so leichter, als die
günstigen Verhältnisse seiner Familie eine sorglose Entwicklung seines
Talents gestatteten. Die Reise, welche er im Mai 1852 nach Rom antrat,
verstärkte weniger die anfängliche Neigung zur Landschaftsmalerei, entschied
vielmehr über seine poetische Zukunft, da er sich in Italien der Stärke
und Eigenart seines Dichtertalents bewußt wurde. Nachdem er eine Zeitlang
in München gelebt hatte, trat er 1858 - 1859 als Bibliothekar in den Dienst
des Fürsten Karl Egon III. von Fürstenberg zu Donaueschingen, ließ sich
jedoch bald wieder von der Bibliotheksarbeit beurlauben. Mit 33 Jahren
war der Dichter aus Baden schon durch sein romantisches Epos "Der Trompeter
von Säckingen" und seinen kulturhistorischen Roman "Ekkehard" berühmt
geworden. So kam er in das Obere Maintal, nach Banz und Staffelstein.
Der Großherzog Carl Alexander von SachsenWeimar hatte ihn ermuntert, einen
Wartburg-Roman zu schreiben. Um sich von den Anstrengungen seiner Vorstudien
in Wien und Thüringen zu erholen, traf er am 11. Juli 1859 über Coburg
mit der Werra-Bahn in Lichtenfels ein; zu Fuß gelangte er nach Schloß
Banz. Scheffel war damals schwermütig; dieser Aufenthalt sollte seiner
seelischen und körperlichen Gesundung dienen. In beeindruckenden Briefen
an seine Mutter finden sich dann immer wieder Hinweise auf die sein Dichterherz
so belebenden Motive im sonnenvergoldeten Maintal. Von herrlichem Sommerwetter
begleitet, wollte er allein die Natur auf sich einwirken lassen und unternahm
deshalb in der nächsten Zeit ausgedehnte Wanderungen nach Staffelstein,
zur Eremitenklause auf dem Staffelberg, zur Wallfahrtskirche Vierzehnheiligen,
zur Steglitz und in die Fränkische Schweiz. Noch 1897 erinnerten sich
Tochter und Sohn der Wirtsleute Schonath, daß sie mit Scheffel oft wandern
mußten und einmal für die Führung auf die Steglitz einen blanken Taler
erhielten vom "langen hageren Herrn Doktor Scheffel", wie sie ihn nannten.
Banz und Umgebung sollten es auch sein, die dem immer und überall von
vielerlei tragischen Umständen verfolgten Dichter in der Tat einige der
ungetrübtesten Wochen seines Daseins schenkten. Wie Joseph Viktor von
Scheffel selbst sagte, war er "oft in den dauernden Konflikt zwischen
Neigung und Pflicht gestellt." Hier am Obermain konnte er sich nur seiner
Neigung, die Welt zu erleben und sie in Dichtung darzustellen, hingeben.
Am dritten Tag seines Aufenthaltes, nämlich am 13. Juli 1859, verfaßte
er sein erstes Gedicht "Bericht von den Mücken" in der Gedichtsammlung
"Der Mönch von Banth". Landschaft und Leben, Natur und Kultur überwältigten
ihn fast auf seiner Wanderfahrt. Auf den Jurahöhen, wo die Luft rein ist,
atmet man leichter, spürt man bald körperliche und geistige Freiheit.
In solcher Umgebung fand Viktor von Scheffel ins natürliche Leben zurück,
und diese "lichte Gottes Welt" sollte die Melancholie heilen und die Lebenskrise
überwinden helfen. Während seiner Studienzeit in Heidelberg konnte sich
Scheffel in Naturwissenschaft, Geologie, Geographie, Ur- und Vorgeschichte
umtun. Der kleine Kreis, in dem das geschah, bestand aus Professoren,
wie dem Historiker Ludwig Häußer und dem Germanisten Panzer, Beamten und
Studenten, die neben Witz und Humor auch ernste Wissenschaft pflegten.
Hier trat besonders der lebhafte Ziegelhöfer Pfarrer Schmezer mit seinen
ausgezeichneten naturwissenschaftlichen Vorträgen hervor. In Heidelberg
selbst hielt man die Gruppe zwar für eine wüste Trinkgesellschaft, und
sogar Scheffels Vater glaubte solches, bis er an den Vorträgen teilnahm
und eines Besseren belehrt wurde. Die dort gewonnenen Kenntnisse sind
dem Dichter in Banz von besonderem Nutzen gewesen. Die Petrefaktensammlung
in Banz , die unter der Leitung des herzoglichen Kanzleirates Dr. Carl
Theodori stand, besuchte Scheffel, um seine naturwissenschaftlichen Kenntnisse
zu erweitern und zu vertiefen. Danach verfaßte er die Gedichte "Bericht
von Meeresdrachen" und "Der Ichthyosaurus". Nach drei Wochen Erholungsaufenthalt
kam Scheffel wieder in seinen altgewohnten Lebensrhythmus zurück und sagte:
"Wie ein Jäger gehe ich abends ungern heim, ohne ein Lied als Beute im
Sack zu haben ..." Nach getaner Arbeit setzte er sich dann mit den Stammgästen
im Felsenkeller des Schlosses zusammen. Die Herren der damaligen Schloßverwaltung
und die anwesenden Geschäftsleute aus Staffelstein nannten ihn stets "Herrn
Professor", und er war ihnen bald kein Unbekannter mehr. Die Ruhe in Banz
und seine Schaffensfreude hatten für ihn die herbe Entscheidung "zwischen
Pflicht und Neigung" gebracht. Sollte er wieder in den Bibliotheksdienst
nach Donaueschingen zurückkehren oder sich dem versprochenen Wartburgroman
widmen? Am 30. August 1859 schrieb Scheffel von Banz aus an den Fürsten
Karl Egon III. nach Donaueschingen. Er bat ihn um die Entbindung von der
Zusage, zu Ostern 1860 wieder in Donaueschingen zu erscheinen. Der Fürst
entsprach mit Schreiben vom 11. September 1859 der Bitte Doktor Scheffels.
Damit war für Scheffel die Entscheidung zu einem freien schriftstellerischen
Leben gefallen und von seinem ehemaligen Auftraggeber gutgeheißen. Aus
der inneren Ruhe heraus und mit sich selbst zufrieden, verfaßte Scheffel
das Gedicht "Waldpsalm" über den Spielplatz der Mönche, der auch für ihn
der stille und segensreiche Arbeitsplatz war. Seine Erlebnisse, Erholung
und Genesung, faßt Scheffel im Lied "Wanderfahrt zum hl. Veit von Staffelstein"
zusammen: Strahlend, echtes Heimatlied am Obermain um den Staffelberg
später vom Würzburger Komponisten Valentin Becker volkstümlich vertont
, wird noch heute von unzähligen frohen Menschen gesungen. Die Dichtung
ist in der Liedersammlung "Gaudeamus" Lieder aus dem Engern und Weitern
enthalten, jenem Zyklus, der heute noch viele frohe Menschen, besonders
die akademische Jugend, begeistert. Es beginnt mit dem "heiligen Veit
von Staffelstein", den Scheffel, in dichterischer Freiheit, symbolisch
auf den Staffelberg hinaufgestellt hat, erzählt vom "Einsiedelmann" auf
dem Staffelberg, von "fahrenden Scholaren", von "Wallfahrern mit fliegenden
Standarten". Dies bunte Leben treibt in "der breiten stromdurchglänzten
Au", die "von Bamberg bis zum Grabfeldgau" von Berg und Hügel umrahmt
ist, und findet übermütige Rast im wohlgefüllten Keller des Einsiedelmanns.
Viele Kritiker haben bemerkt, daß Viktor von Scheffel in seiner"Wanderfahrt"
den"heiligen Veit von Staffelstein" besungen hat, der doch drüben auf
dem Veitsberg und in Vierzehnheiligen zu Hause ist, während das Staffelberg-Kirchlein
der Heiligen Adelgundis geweiht ist. Manche glaubten, daß Scheffel mit
dem "heiligen Veit von Staffelstein" etwa seinen Freund Ivo , den Staffelberg
Einsiedler, gemeint habe, daß er die Absicht gehabt hätte, diesem einen
Heiligenschein um das damals noch jugendliche Haupt zu weben. Schon Scheffels
Zeitgenossen machten ihn auf den "Irrtum" aufmerksam. Alois Schönheinz
aus Staffelstein erzählte, daß der Dichter Scheffel in Begleitung von
vier Staffelsteiner Herren 1868 in Vierzehnheiligen gewesen war und von
ihnen auf die Verwechslung des Veitberges mit dem Staffelberg hingewiesen
worden war. Er hätte damals dichten müssen: "Zu St. Adelgund bin ich emporgestiegen."
Worauf Scheffel lachend mit Pilatus Worten es zitierte: "Quod dixi, dixi.
" Vielleicht scheute er dabei zurück, seinen Begleitern zu sagen, daß
er mit jenem Lied wirklich dem hl. Veit dem Fürsprecher bei geistiger
und seelischer Krankheit, seinen Dank für die Genesung abstatten wollte,
vielleicht war ihm Bruder Ivo als eine Personifizierung jenes jugendlichen
Märtyrers erschienen. Der Sänger des "oberen Maintales", der zehn Jahre
vor seinem Tode geadelt worden ist, erinnerte sich zwei Monate vor seinem
Sterbetag, am 21. Februar 1886, an seinen Aufenthalt auf dem Staffelberg
und übersandte dem Einsiedler Ivo Hennemann, eine Visitenkarte mit der
Widmung: "Dem Eremiten vom Staffelberg freundliche Grüße" und der Anschrift:
"An Ivo Hennemann vom Staffelberg unweit Kloster Banz in Franken." Dies
war sein letzter Gruß dorthin. Joseph Viktor von Scheffel starb am 9.
April 1886 in Karlsruhe.